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Verlag Harald Voß
Mitgliederversammlung von Hertha BSC

(von Harald Voß)

Satzungsgemäß muss der Verein Hertha BSC zweimal im Jahr eine Hauptversammlung aller Mitglieder durchführen. Nachdem der Saal 3 des ICC in den vergangenen Jahren schon ziemlich eng geworden war, hatte man die Versammlung diesmal in das neue Veranstaltungszentrum des Estrel-Hotels in Neukölln verlegt. Dort war der Komfort zwar nicht so groß wie im ICC (keine Tische vor den Sitzen) und auch beim Licht hatte man vielleicht ein bisschen zu sehr gespart (Man kam sich vor wie im Kino...), aber es passten ein paar Leute mehr rein als in den Saal 3 des ICC. Weil die Mitgliederzahlen erfreulicherweise immer weiter steigen, erwartete man diesmal besonders viele Mitglieder, schließlich stand ein besonderer Punkt auf der Tagesordnung: Die Neuwahl des Aufsichtsrates.

Doch zuerst kamen die Standardpunkte zur Abarbeitung. Der erste Tagesordnungspunkt lautete "Eröffnung und Begrüßung" und stellt eine allgemeine Unsitte bei Versammlungen aller Art dar. Laut Satzung muss der Versammlungsleiter vor Versammlungsbeginn (also auch vor dem ersten Punkt Eröffnung und Begrüßung) die Tagesordnung beschließen, worin ggf. nach Abschicken der Einladung beantragte Punkte aufgenommen werden müssen. Eine Begrüßung der Mitglieder findet normalerweise davor statt, so dass der erneute Tagesordnungspunkt "Eröffnung und Begrüßung" nicht mal mehr eine Grußformel enthält, sondern meist einfach übergangen wird.

Es folgten nach der Totenehrung die Berichte des Präsidiums, des Aufsichtsrats und des Revisionsausschusses. So berichtete Präsident Müller, dass Hertha BSC 37,45 % der Betreibergesellschaft des Olympiastadions übernehmen wird (der Vertrag ist zwar noch nicht unterschrieben, aber Hertha BSC ist dazu bereit, "wann immer der Senat das will"). Außerdem wurde mit dem Senat darüber Einigung erzielt, dass Hertha BSC das Gelände am Olympiastadion in eigener Verantwortung zu einem Vereinsgelände ausbauen wird, dort u.a. neun Fußballplätze sowohl für den Trainingsbetrieb der Profis als auch der Amateur- und Jugendmannschaften errichten wird, außerdem eine Trainingshalle, ein Reha-Zentrum und ein Hertha-Museum. Einer der Plätze soll auch mit Zuschauerrängen für die Spiele der Amateurmannschaft ausgestattet werden. Hertha BSC bekommt für die Investitionen einen Zuschuss des Landes Berlin, wird darüber hinaus die Baumaßnahmen aber selbst finanzieren und anschließend eine jährliche Pacht in Höhe von 800.000 DM an das Land zahlen. Baubeginn soll im nächsten Jahr sein, die Arbeiten sollen voraussichtlich bis 2004 dauern. Wert legte der Präsident auf die Feststellung, dass das alles unabhängig von dem Umbau des Olympiastadions vollzogen wird und selbst dann durchgeführt wird, wenn die Renovierung des Stadions aus irgendeinem Grund nicht klappen sollte. Für die vielen Jugend- und Amateurmannschaften des Vereins zeichnen sich also Lösungen der derzeit doch so prekären Sportplatzknappheit ab.

Manager Hoeneß berichtete über den Stand der Neuverpflichtungen, konnte über die bereits bekannten Namen Beinlich (Leverkusen), Marques (Ulm) und die schon in der Winterpause geholten Simmunic (Hamburg) und Alves (Brasilien) hinaus aber keine Neuigkeiten verkünden.

Einen großen Dank drückte der Manager noch einmal an die Mannschaften von Galatasaray Istanbul ("Ich freue mich aufrichtig, dass Galatasaray UEFA-Cup-Sieger geworden ist") und Arminia Bielefeld ("Galatasaray hat uns geholfen und wurde belohnt mit dem UEFA-Cup-Sieg, ich hoffe Bielefeld wird belohnt mit dem Bundesligaaufstieg") für ihre Schützenhilfe beim Erreichen der Zwischenrunde der Champions-League bzw. des zur Teilnahme am UEFA-Cup berechtigenden 6. Tabellenplatzes in der Bundesliga aus.

Der amtierende Aufsichtsratsvorsitzende Rupert Scholz schließlich hob in einer geschliffenen Rede noch einmal die Wichtigkeit der Umwandlung des Vereins in eine Kapitalgesellschaft hervor, versuchte die Mitglieder aber zu beruhigen, indem er noch einmal deutlich machte, dass die Kapitalgesellschaft wichtig sei, um Unternehmensstrukturen zu schaffen, aber keinesfalls Teile des Vereins verkauft werden sollen und das Vermögen einzig und allein dem Verein zustehe.

In der anschließenden Aussprache hielt man sich an diesem Tag ob der Gewissheit, dass eine langwierige Aufsichtsratswahl folgen würde, erstaunlich kurz. Die erste Rede durfte - in Abweichung von der schon gewohnten Reihenfolge - diesmal nicht von Ex-Präsident Wolfgang Holst, sondern unter viel Beifall der Mitgliedschaft von unserem Trainer Jürgen Röber gehalten werden. Röber bedankte sich bei den Mitgliedern und Fans für die viele Unterstützung und den Zuspruch, den er bei Hertha BSC erleben durfte. Anschließend sorgte er für Heiterkeit im Saal, als er anhob: "Ich weiß nicht, in welchem Bereich wir uns nächstes Jahr platzieren werden", um dann unter allgemeinem Amüsement den Satz "zwischen eins und sechs" nachzuschieben. In jedem Fall versprach der Trainer den Fans "Offensivfußball"!

Wolfgang Holst kritisierte dann die ihm teilweise verzweifelt vorgekommene Suche einiger Verantwortlicher nach einem auswärtigen Aufsichtsratskandidaten "mit Fußballsachverstand" wie z.B. Günter Netzer oder Paul Breitner. Er meinte, "wir haben genug Fußballsachverstand in Berlin, dass wir auf solche Hilfe verzichten können." Im übrigen dankte er der ufa, "dass es nicht wie bei unseren Nachbarn in Charlottenburg zu einer Okkupation, sondern einer Partnerschaft gekommen ist".

Anschließend kam dann der Tagesordnungspunkt "Wahl zum Aufsichtsrat" an die Reihe. Normalerweise beantragt der Revisionsausschuss vor einer Neuwahl die Entlastung des Aufsichtsrates - merkwürdigerweise wurde das diesmal "vergessen". Der alte Aufsichtsrat ist also trotz Wahl eines neuen nicht entlastet worden und deshalb immer noch in der Verantwortung.

Wurde die letzte Aufsichtsratswahl noch von sanftem Druck und Drohungen von Seiten des Vermarktungspartners ufa begleitet, so sollte diesmal alles demokratischer und fairer ablaufen. Die Beschäftigten der ufa durften ohnehin aufgrund einer DFB Bestimmung, die es Mitarbeitern von Gesellschaften, die mit mehreren Bundesligavereinen in vertraglicher Beziehung stehen, verbietet, ein Aufsichtsrats- oder Vorstandsamt bei einem dieser Vereine zu bestreiten, nicht mehr kandidieren. Alle Beteiligten bemühten sich redlich, im Vorfeld keine zu deutlichen Wahlempfehlungen abzugeben. Vor allem aber die Mitglieder des Präsidiums hielten sich diesbezüglich wohltuend zurück. Der amtierende Aufsichtsratsvorsitzende Prof. Scholz hatte zwar eine Mannschaft zusammengestellt, erwähnte diese aber eher nur nebenbei. Außerdem kursierten noch Handzettel einer "blauen Liste", die Wahlvorschläge zum Aufsichtsrat enthielten. Aber zumindest eine der dort aufgeführten Personen, der bereits im bisherigen Aufsichtsrat vertretene Günter Troppmann, distanzierte sich ganz deutlich von dieser Liste. Wie er in seiner Vorstellung sagte, sei er von den Vertretern dieser Liste nicht gefragt worden, ob er mit der Aufführung seines Namens einverstanden sei. Außerdem sagte er, dass er mit den auf dem Flugblatt der "blauen Liste" stehenden Aussagen zur Vereinspolitik keinesfalls übereinstimme. Die "blaue Liste" forderte u.a. die Förderung der Jugendarbeit und der anderen Abteilungen, die Erhaltung der Identität des Vereins und dass der Verein nicht zum Spielball wirtschaftlicher Interessen werden solle. Diese Distanzierung von diesen eher allgemeinen Aussagen lässt eigentlich Schlimmes für unseren Verein erwarten, aber vielleicht wurde Herr Troppmann ja nicht nur nicht gefragt, ob sein Name auf diese Liste gesetzt werden dürfe, sondern vielleicht hat er die Aussagen der "blauen Liste" ja nicht einmal gelesen.

Die insgesamt 18 Kandidaten stellten sich in alphabetischer Reihenfolge kurz vor. Kurz ist dabei wörtlich zu verstehen. Der Versammlungsleiter Ottow achtete penibel darauf, dass die Redezeit von drei Minuten nicht überschritten wurde. Anschließend konnten kurz Fragen an die jeweiligen Kandidaten gestellt werden. Das sensible Thema Kapitalgesellschaft kam dabei seltsamerweise fast gar nicht zur Sprache. Möglicherweise lag das daran, dass es sowieso keiner der Kandidaten zugegeben hätte, wenn er grundsätzlich gegen eine Kapitalgesellschaft gewesen wäre, und bei den vielen Größen aus der Wirtschaft hat man einfach vorausgesetzt, dass sie für eine Umwandlung seien. Unruhig wurde die Versammlung nur kurz, als der Vereinsausschuss der Mitgliederversammlung die Gründe für eine erteilte Ausnahmegenehmigung nicht nennen wollte (Die Kandidaten Rolf Eckrodt und Dr. Wachs waren nicht die satzungsgemäß geforderten 6 Monate Mitglied im Verein und konnten nur aufgrund einer Ausnahmegenehmigung des Vereinsausschusses kandidieren). Ansonsten wurden kaum Nachfragen gestellt, lediglich beim bisherigen Aufsichtsratsvorsitzenden, dem Bundestagsabgeordneten und Ex-Verteidigungsminister Rupert Scholz, wurde kritisch hinterfragt, ob ihm denn seine politische Tätigkeit überhaupt genug Zeit für einen Aufsichtsratsposten bei Hertha BSC lasse, außerdem wurden ihm sein Engagement bei dem damaligen Berliner Bundesligisten Blau-Weiß 90 und seine Bestrebungen dort eine Fusion mit Hertha BSC und Tennis Borussia zu initiieren übel genommen.

Anschließend hatten die Mitglieder die Stimme. Von den 731 anwesenden stimmberechtigten Mitgliedern (insgesamt 777) waren zu diesem Zeitpunkt noch 667 anwesend. Nach einer langen Auszählung wurde schließlich das Ergebnis verkündet. Folgende sieben Kandidaten erhielten die notwendige Mehrheit von 334 Stimmen: Klaus Brüggemann (482 Stimmen), Bernd Schiphorst (464), Heinz Warneke (436), Günter Troppmann (427), Werner Gegenbauer (400), Rupert Scholz (365) und Rolf Eckrodt (364). Die restlichen Kandidaten erhielten nicht die nötigte Mehrheit: Kirsch (320), Manske (251), Dr. Wachs (198), Welker (189), Zachmann (173), Röder (139), Zemaitat (110), Buggert (79), Ahlhoff (60), Raab (20), Bath (19).

Es folgten nach Mitternacht dann noch im Schnelldurchlauf die Punkte Verabschiedung des Haushaltsplanes (Hertha BSC plant für die nächste Saison mit einem Etat von 73 Mio. DM - und das ohne UEFA-Pokal), die Nachwahl eines Mitglieds für das Vereinsgericht (Klaus Günter Neumann bei einer Gegenstimme und 8 Enthaltungen), die Punkte Anträge und Verschiedenes. Da es bereits halb eins war, hatten hier nicht allzu viele Lust auf tiefgreifende Diskussionen - selbst das berühmte Schlusswort von "Kalle aus der Kurve" fehlte diesmal. Um 0:55 schließlich war dann die Hauptversammlung von Hertha BSC beendet.







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